Geschichte der Stadtwerke Warburg

Sauberes Trinkwasser – nicht selbstverständlich

Die städtische Wasserversorgung war ein Jahrhunderte währendes Problem. Der Bau und die Inbetriebnahme der zentralen Wasserversorgung in der Stadt Warburg im Jahre 1893 war gleichzeitig die Geburtsstunde der Stadtwerke, obwohl die Einrichtung erst in den dreißiger Jahren des folgenden Jahrhunderts aus dem städtischen Haushalt ausgegliedert wurde und nach kaufmännischen Gesichtspunkten bewirtschaftet wurde.

Im Jahre 1893 glich die Stadt einer einzigen Baustelle. Keine vergleichbare Maßnahme zuvor war so umwälzend. Selbst nach heutigen Maßstäben war es eine gewaltige Leistung, in einem Jahr die gesamten technischen Anlagen für die Wasserversorgung der Bürger in der Alt- und Neustadt zu erstellen.

Die erste urkundlich verbriefte wasserrechtliche Konzession erwarb die Stadt 1463 und damit das Recht zur Wasserkunst für „seiven mark gold“ pro Jahr. Die Altstadt verfügte aufgrund der Lage an der Diemel immer über ausreichend Wasser, während die Neustadt durch den felsigen Kalkstein nur geringe Möglichkeiten hatte. Über Brunnen wurde die Wasserversorgung  gesichert.
1861 schrieb der Kaufmann Gabriel: „Der Marktbrunnen ist seit alters her der einzige Brunnen in der Altstadt, der nicht nur bestes Wasser hat, sondern er biete auch für den Bürgern der Neustadt das erforderliche Trinkwasser“.

Altstäder Marktbrunnen um 1890 mit Bohlenabdeckung

Altstäder Marktbrunnen um 1890 mit Bohlenabdeckung

Über die Jahrhunderte war die recht mehr als schlecht funktionierende Wasserversorgung der Neustadt soweit verbraucht und das Wasser zum Teil von so minderer Qualität, dass eine Erneuerung dringend notwendig wurde. Auch die Erneuerung der Hauptwasserleitung von der Altstadt zur Neustadt im Jahre 1850 half nur kurzfristig.

1850 ist diese Wasserkunst neu angelegt Regiert der Bürgermeister H. Fischer F .I. Sievering Wassermeister

Die schlechte Wasserqualität war letztendlich ursächlich für die Typhusepidemie vom August 1877 und die fast jährlich auftretenden Cholerafälle. Obwohl der damalige Bürgermeister Fischer die Warburger Bevölkerung als gesund befand, musste er einräumen, dass in das Pumpwerk der Wasserkunst unsauberes Wasser aus dem Mühlengraben gelangte, in dem an mehreren Stellen regelmäßig Jauche eingeleitet wurde.

Erst als die königliche Regierung in Münster auf die alarmierenden Berichte des Kreisphysikus der Kommune die Sicherstellung von sauberem Trinkwasser anordnet, werden verschiedene Vorschläge entwickelt. Ingenieure aus Frankfurt empfehlen u.a. den Bau von zwei Hochbehältern und einem geschlossenen Leitungsnetz, der Wasseringenieur Amman eine „Dampfhüflsmaschine mit 3,56 PS(!)“ als Verbesserung für die Wasserkunst. Sowohl über den Wasserverbrauch pro Kopf als auch über die Kosten wurde man sich im Rat nicht einig. Schließlich verstirbt Bürgermeister Fischer darüber und erst mit seinem Nachfolger BM Wiegand wurden 1884 die Überlegungen wieder aufgenommen.

Nun sollte auf dem Schlachthofgelände ein Pumpwerk entstehen. Aber die schlechte Wasserqualität aus dem Kuhgraben und Johannesborn ließen auch dieses Projekt scheitern. 1890 drohte die kgl. Regierung mit Zwangsmaßnahmen, wenn nicht bald Bewegung in die Sache käme.

Am 2. Oktober 1891 entschloss sich endlich das Stadt-Komitee, nach den Vorschlägen das Ingenieurs Braun aus Darmstadt, ein neues Wasserkraftwerk mit 1.100 m langen Werkkanal „linksseitig“ der Diemel anzulegen.
Bevor man mit den Hoch- und Tiefbauten anfing, wurde im Diemeluferbereich nach geeigneten Brunnenstellen gesucht und chemische/ bakteriologische Untersuchungen des Wassers durchgeführt. Der Bau der Anlage brachte manch technisches Problem mit sich, deren Behebung teilweise vor Gericht ausgetragen werden musste.

Der alte Werkkanal und das heutige Wasserwerk

An den höchsten Punkten wurde je ein Hochbehälter für die Altstadt (110cbm) und Neustadt (520cbm) gebaut, um die Wasserversorgung auch in trockenen Zeiten zu sichern. Von den Hochbehältern aus erfolgte die Verlegung des Leitungsnetzes.

Mit der Aufstellung von Überflurhydranten auf den Bürgersteigen kam ein neues Problem: die Verletzungsgefahr von Bürgern und dadurch eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, da „die Beleuchtung in dortiger Stadt eine so mangelhafte ist, dass es dringend geboten erscheint, auch nach dieser Richtung hin Wandel zu schaffen.“

Bereits bis Ende 1894 waren 589 Haushalte an das neue Leitungsnetz angeschlossen. Eine Wasserkommission der Stadtverwaltung sorgte für die Gebührenreglung. Als nach Kreisbeschluss die öffentlichen Brunnen geschlossen werden mussten, sahen manche Bürger nur die Möglichkeit, sich beim Nachbarn das Wasser „spendieren“ zu lassen, wodurch der Stadt Einnahmeverluste erwuchsen. Um diesen Missbrauch zu unterbinden, wurde eine Wassersatzung entworfen, die 1.4. 1895 in Kraft trat und in der u.a. im §13 untersagt wurde, an dritte Personen Wasser abzugeben. Nicht immer waren die Bürger mit dem Wasserzins einverstanden. So meldete Bürger H. den Luxus Wassergeld für seine Badewanne zu zahlen: „Lieber würde er sich stehenden Fußes waschen, als eine Badewanne zu benutzen“.

Trotz aller Anfangsschwierigkeiten war ein großer Schritt für die Bürger der Stadt getan. Und im Jahr 1898 beschlossen die Stadtverordneten, ein Elektrizitätswerk in Verbindung mit dem Wasserwerk zu bauen.

Elektrizität, die zweite technische Revolution

Als etwa um 1880 die Elektrizität in Westfalen, besonders im Ruhrgebiet, Einzug hielt, veränderten sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen grundlegend. Der Antrieb von Maschinen, der zuvor mit der Erfindung der Dampfmaschine die erste Revolution erfuhr, war nun auch mit Strom möglich. Die elektrische Beleuchtung machte die Nacht zum Tag. Vielfältige Möglichkeiten für technische Erfindungen eröffneten sich. Vom Gleichstrom zur Beleuchtung führte die Entwicklung zu Wechsel- und Drehstrom zur elektrischen Krafterzeugung.

Trotz der wirtschaftlich ungünstigen Lage gingen von Warburg ab 1840 wesentliche Impulse für den gesamten Raum aus. Intensiver Straßenausbau stärkte das Handwerk in der Stadt, die Nutzung der Dampfmaschinentechnik und die Verbesserung der Wasserkunst bis zur zentralen Wasserversorgung um 1893, wie wir zuvor gelesen haben, ließ in Warburg neue Fabriken entstehen: 1864 die Papierfabrik, 1884 die Zuckerfabrik, Drahtnägelfabrik, Webereien und andere Betriebe.

1851 wurden in Warburg die ersten mit Öl betriebenen Straßenlaternen am Marktplatz in der Neustadt und dem Altstädter Markplatz aufgestellt. Die Beleuchtungszeit war nur im Winter vom 15. September bis zum 15. April, bis abends 11 Uhr.

Der Antrag der Bahn, auch nach dem 15. April zu beleuchten, für Reisende, die nachts ankämen und sich den Weg im Dunkeln suchen müssten, wurde aber abgelehnt. Ebenso der Antrag des Postamtes, den Weg zur Landwirtschaftsschule zu beleuchten. Daraufhin stellte die Post die 3.Zustellung an dunklen, regnerischen Tagen ab, „da dem Personal nicht zuzumuten ist, neben den Postsendungen auch noch eine eigene Laterne mitzuführen“.

1885/86 waren immerhin 65 Laternen in der Neustadt und 23 in der Altstadt aufgestellt. Abend für Abend zogen in den Wintermonaten die „Stadtbeleuchter“ mit einem Schiebkarren durch die Straßen, um die Laternen mit Brennmaterial oder Ersatzteilen („Cylinder, Oel und Docht“) zu versorgen, stets gut bewacht von einem Polizeidiener. Bei mond- und schneehellen Abenden konnte die Beleuchtung ausfallen, nach Absprache mit dem Herrn Bürgermeister.

Auch kam es anfangs häufiger zu Laternenbränden. So schreiben Bürger: „Theile dem hochwohllöblichen Bürgermeister-Amte mit, dass die städtische Lampe an meinem Hause in der Bußdorfstr. gelegen, gestern explodiert ist“. Oder: „Ich habe die Lampe ausgemacht, weil die Krone derselben ringsum brannte, ich muß annehmen, dass der Beleuchter seine Aufgabe nicht richtig wahrnimmt“.

Bei den Vorbereitungen zum Bau des neuen Wasserkraftwerkes 1891 machte der leitende Wasseringenieur Braun darauf aufmerksam, die Kraft des Wasserwerkes auch zur Erzeugung von elektrischem Strom zu nutzen. Warburgs Stadtverordneter Bering schrieb daraufhin an den Bürgermeister: „Ich lege vorläufig auf diese Ideen keinen besonders großen Wert, weil eine periodische Erzeugung von Licht keinen Wert für die Stadt hat“. So wurde die elektrische Straßenbeleuchtung zunächst abgelehnt. Aber die königliche Regierung in Minden war damit nicht einverstanden weil die Straßenbeleuchtung in Warburg „so mangelhafte ist, dass dringend geboten erscheint, auch nach dieser Richtung hin Wandel zu schaffen“.

1896 beantragte der Müller Tegethoff von der Neuen Mühle für sich und „hier für einige Bürger eine elektrische Beleuchtungsanlage zu errichten“. Da die Stadt bezüglich der neuen Technik selber im Dunkeln tappte, forderte man von ihm genaue Auskunft, wie die Anlage geplant sei.
Es kam ein durch ein Professor aus Hannover unterstütztes Gutachten, indem u.a. stand, dass „ Befestigungsstützen auf den Dächern angebracht werden… aus 2zölligen Eisenrohren… die ½ Meter über dem Dach hervorragen.“ Weiter hieß es, sei es auf keinen Fall bekannt, dass „Personen oder Haustieren durch zufällige oder absichtliche Berührung von Leitungen, zwischen welchen eine Spannung von 220 V herrscht, irgend welchen Schaden genommen hätten ….das Berühren zwar erschrecken, jedoch nicht töten oder seine Gesundheit schädigen kann“.

Am 28.5. 1896 erhielt er die ortspolizeiliche Erlaubnis zum Bau des ersten E-Werkes von Warburg. So wurde bald die Altstadt mit 250 Glühlampen erleuchtet. Bis zum Jahre 1953 versorgte zusammen mit den späteren Stadtwerken das Tegethoff´sche E-Werk die Altstadt. Nach Einführung des Wechselstromes wurde der Betrieb eingestellt.

Erstes elektrisches Leitungsnetz zur Beleuchtung der Häuser und Straßen in der Warburger Altstadt

1897 hatte die  Warburger Papierfabrik bereits eine elektrische Beleuchtung und die Zuckerfabrik versorgte sich mit einem eigenen kleinen E-Werk. Die Scherfeder Wollwarenfabrik nutzte um 1900 die Elektrizität zum Antrieb ihrer Maschinen.
So war es fast selbstverständlich, dass die Stadt Warburg um die Jahrhundertwende ein eigenes E-Werk in Betrieb nahm. Während in der Stadt der Ausbau der Stromversorgung kontinuierlich vorangetrieben wurde, verlief er in den umliegenden Ortschaften zeitlich sehr unterschiedlich.

Auslöser für die Planungen zu einem Elektrizitätswerk waren die häufigen Störungen im Wasserwerk, die Fördertechnik musste nachgerüstet werden. Jetzt war die Chance gegeben, mittels Wasserkraft eventuell Strom zu erzeugen. Nach langem Abwägen und Einholen von Erfahrungswerten anderer Städte entschied sich die neu gegründete Beleuchtungskommission eine Dynamoanlage mit den notwendigen Akkumulatoren im Wasserwerk aufzustellen. Der Ingenieur Pfudel aus Bochum wurde mit der Detailplanung beauftragt. Die Erweiterung des Wasserwerkes durch ein Turbinenhaus samt Ausbau des Werkgrabens wurde notwendig. Die AEG aus Hannover wurde  für den Bau der Stromanlage beauftragt, für einen Preis von 80.292,20 Mark. Außerdem sollte sie für die Hausanschlüsse sorgen und diese mit den Abnehmern direkt abrechnen.

Der Aufbau des Elektrizitätswerkes brachte manch bautechnische Schwierigkeiten mit sich. So erkannte man, dass anstelle der vorgesehenen Turbine ein stärkeres Modell erforderlich wurde, was später bei der Abrechnung mit der AEG zu erheblichen Differenzen führte. Durch die wechselnden Wasserstände der Diemel bedingt, musste ein Bremsregulator eingebaut werden, um bei starker Strömung nicht die Dynamomaschinen zu überlasten.

Arbeiter vor dem Schaltgerät und Schalttafel

Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass die Turbine nicht ausreichend dimensioniert war und durch eine stärkere ersetzt werden musste. Während der gesamten Kriegszeit bis 1919 sollten die Probleme nicht abreißen, erst danach baute man zwei neue ein. 1954 konnte durch den Einbau neuer Kaplan-Turbinen die Effektivität des E-Werkes wesentlich erhöht werden.

Um die erzeugte Energie in die einzelnen Verbrauchstellen zu leiten, musste eine Akkumulatorenanlage aufgebaut werden. Zwischen dem Rathaus und der evangelischen Kirche, wo 1628 die Lateinschule gestanden hatte und später die Klosterschule, wurde dazu ein neues Haus mit entsprechend starken Fundamenten errichtet. Aus dem Dach des Hauses ragte der Verteilerturm, von dem aus die Stromleitungen in alle Richtungen abgingen. Die Stromzufuhr vom Wasserwerk zur Akkumulatorenstation erfolgte durch vier nicht isolierte verkupferte Bleileitungen von q=95mm2 über eine Länge von 3.89 km. Leider waren die Leitungen mit den Isolatoren oftmals Zielobjekt für Wurfübungen jugendlicher Burschen, für deren Ergreifung die Stadt 15 Mark zusicherte und die Lehrer anwies, ihre Schüler über die Gefährlichkeit dieses „Vergnügens“ aufzuklären.

Alle 3-4 Jahre mussten die Akkuelemente überholt oder ausgewechselt werden. Durch den stetig steigenden Stromverbrauch war man gezwungen, zusätzliche Unterstationen anzumieten und von der Firma Akkumulatoren-Hagen aus Soest 252 neue Elemente zu bestellen. Im Jahre 1907 begann die Stadt mit dem Bau eines neuen E-Werkes in der Landfurt, dem heutigen Sitz der Stadtwerke.

Der Bau des Stromleitungsnetzes durch die Stadt bedurfte aber noch einiger Genehmigungen, an die zuvor keiner gedacht hatte. Die Kaiserliche Oberpostdirektion in Minden sah durch die nicht isolierten Stromleitungen eine Sicherheitsgefährdung, wenn diese nicht den erforderlichen Abstand zu den Reichspost-Telegraphenleitungen einhielten. Ein reger Schriftwechsel zwischen den Behörden, die Mahnung der Stadt, dass man der Post die zuvor eingeräumten Sondergenehmigungen kündigen würde,  endete aber schließlich mit einer Einigung. Die Stromleitungen sollten bei parallelem Verlauf mit den Sprechleitungen mit mindesten 1,25 m Abstand und beim Kreuzen der Leitungen mit 1 m Abstand darüber verlegt werden.

Mast mit Bogenlampe auf dem Neustädter Markt aus dem Jahr 1904

Da sah auch die Provinzialverwaltung, zuständig für den Straßenbau, ihre Stunde gekommen. Das Aufstellen der Strommasten an Straßengrenzen musste erst beim Landeshauptmann beantragt werden, mit allen erforderlichen Plänen und unter Vorlage der Genehmigungen seitens der Oberpostdirektion und der Ortspolizeibehörde. Man einigte sich auf 6m Abstand über dem Straßenprofil.

Dort, wo keine Masten aufgestellt werden konnten, wurde an kunstvoll geschmiedeten Wandarmen an den Häusern oder über die Straße an gespannten Eisendrähten die Laternen angebracht. Zur besseren Ausleuchtung von Kreuzungen in der Stadt wurden Bogenlampen aufgestellt, die ein wesentlich helleres Licht abgaben. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis auch die letzte Petroleumlaterne aus dem Stadtbild verschwand.

Aufstellen eines Lichtmastes 1952

Am 20.12.1899 wurde das E-Werk im Wasserwerk an der Diemel in Betrieb genommen und am 1.1.1900 gingen in Warburg endlich die Lichter an. Wassermeister Vorschütz war Maschinenwärter und Obermonteur Holzmann wurde Leiter des E-Werkes, damit erster Leiter der Stadtwerke.

Die Versorgung der Häuser mit Strom war mit viel Unwegsamkeit verbunden und stieß teilweise auch auf Ablehnung, da manch Eigentümer sein Haus durch das Eisengestänge auf dem Dach oder durch die Strommasten im Garten im Wert erheblich gemindert sah.

Besonders in den Randgebieten der Stadt bereitete die Stromversorgung erhebliche Schwierigkeiten. So plante der kath. Erziehungsverein die Errichtung eines Fürsorgeheimes in der Landfurt und hoffte auf eine kostenlose Stromversorgung durch das Dominikanerkloster. Da dieses allein technisch nicht möglich war und der Neuanschluss eine stolze Summe von 3.000 Mark kosten sollte, wovon der Verein 1.000 M anteilig tragen sollte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Pfarrer Bartel und der Stadt. Notfalls sei man geneigt „sich mit weniger gutem Lichte zu behelfen, als vom Vermögen der armen Kinder 1.000 Mark für Zuleitung zu bezahlen“. Am Ende einigte man sich auf 750 M, die man hoffte, „ratierlich“ zu zahlen (ratierlich= Kosten, die die Anlieger der Landfurt später zu zahlen hätten).

Der Umgang mit Strom brachte auch neue Gefahren mit sich. So wurde durch einen Kurzschluss und Überspringen von Funken der Isolatoren auf dem Dachboden im September 1904 das Sägewerk Milsch in Brand gesetzt. Beim Beschneiden von städtischen Bäumen wurde versehentlich eine Stromleitung zerschnitten, die unbemerkt auf die Straße fiel und dem Pferd des Kutschers Becker einen Stromschlag versetzte, so dass es stürzte und sich verletzte. Schadensersatzansprüche an die königliche Regierung in Minden wurden aber abgelehnt.

1899 wurde durch die Stadt die allgemeinen Bedingungen für die Nutzung von Strom niedergeschrieben. Zu den Anschlusskosten zahlte der Abnehmer für Lichtstrom 50 Pfennig pro Kilowatt-Stunde und für Kraftstrom 25 Pfennig/kWh sowie eine Zählmiete von monatlich 50 Pfennig zahlen und musste einen Stromzähler anlegen.  Damit auch arme Leute sich die Stromanlage leisten konnten, wurde die Installation mit monatlich 10 Pfennig auf den Strompreis verrechnet, so dass nach 6 Jahren die Anlage Eigentum wurde.

Das neue E-Werk an der Landfurt im Jahr 1930. Nach Umgestaltung ist es heute Sitz der Stadtwerke Warburg.

Ein neues Stromwerk muss her

Bereits 1906 konnte das E-Werk an der Diemel den täglichen Bedarf nicht mehr decken. Ein Ausbau des Stromwerkes an Werkgraben war nicht mehr möglich. Die Stadt beschloss, an der Landfurt ein neues Elektrizitätswerk mit Akkumulatorenanlage zu bauen, das mit einem Kohlekraftwerk betrieben werden sollte. Die Arbeiten begannen Juli 1907 und waren im Januar 1908 beendet.  Die Baugenehmigung wurde erst am 23. Mai 1908 erteilt, weil die Stadt vergessen hatte, diese rechtzeitig zu beantragen.

Ein Kesselhaus nebst 35m Schornstein und Kohlenschuppen, Gleisanlagen mit Drehscheiben für die Loren, Maschinenhaus mit Kellerraum für die Kondensation, Anbau für die Akkumulatoren, Büro und Lagerräume, Bau eines Brunnen…. das alles wurde in nur einem Jahr Bauzeit gemeistert.

1924, 25 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten E-Werkes, stellt der damalige Chronikschreiber fest, das „städtische Dampfkraftwerk am Landfurtwege sei ein Musterwerk, das allen gestellten Anforderungen entspricht“. Und Trotzdem stellte er auch fest, dass die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit bereits wieder erreicht worden sei. Die Zunahme im Stromverbrauch wuchs unaufhörlich. 1929 war eine Ausweitung der Kapazität erforderlich geworden, das E-Werk an der Diemel erhielt einen zusätzlichen Stromgenerator.

1935 kam das E-Werk zwangsweise in den Reichsverband der Elektrizitätsversorger, mit der Folge, dass der Haushalt des E-Werkes aus dem städtischen Gesamthaushalt ausgegliedert wurde. Dieser neue Wirtschaftsbetrieb musste gemäß Gemeindeordnung mit dem Wasserwerk zusammengeschlossen werden, was zum 1.4.1937 geschah. Das ist das Gründungsdatum der Stadtwerke Warburg.

Die Reichsregierung beabsichtigte, die kleinen E-Werke an die großen Stromversorger anzugliedern. Auf Anfrage wurde der Stadt in dem Gutachten der Wirtschaftsberatungs-AG in Berlin die Beibehaltung des Netzes zugesichert, wenn sie den zusätzlichen Bedarf als Fremdstrom beziehen würde.

1940 war es dann soweit: die Stadt konnte die Stromversorgung nicht mehr in dem erforderlichen Umfang gewährleisten. Als 1941 auch noch eine Stillsetzung der Dieselmotoren verordnet wurde, verlor sie 30% der Produktionskapazität. Aber es kam noch schlimmer: Die Reichbahn teilte mit, dass sie ihren Drehstrom aus Kapazitätsgründen von nun an von der EAM (Elektrizitäts-Aktiengesellschaft-Mitteldeutschland) beziehen will.

So kam es zu Verhandlungen und dem Übereinkommen, dass die Stadt von der EAM Drehstrom für die Reichsbahn bezieht und direkt durchleitet.

Ein Verkauf an die EAM wurde von der Stadt abgelehnt, obwohl die EAM bereit war, 450.000 RM zu zahlen. Man wollte die Eigenständigkeit nicht aufgeben. Außerdem nahm die Stadt die Bilanzüberschüsse der Stadtwerke gern zur Aufbesserung ihres Haushaltes – was sich bis zum heutigen Tag eigentlich nicht geändert hat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die alten Anlagen zunächst nochmals aktiviert, dann aber 1950 das Kohlekraftwerk abgebaut, der Kamin abgebrochen, das Dieselkraftwerk stillgelegt. Das Leitungsnetz wurde auf Wechselstrom umgestellt, mit einer Investitionssumme von 1,2 Mio DM. Die Umstellung war technisch äußerst kompliziert und ging nur in kleinen Schritten vor sich. 1958 war die Umstellung beendet. Mit dem Stromlieferungsvertrag von 1964 speiste die EAM in das städtische Werk an der Landfurt ein. Nachdem sämtliche technischen Einrichtungen aus vergangenen Zeiten ausgebaut waren, erfolgte 1967 eine komplette Durchsanierung und Modernisierung des Hauses.

Nach der kommunalen Neugliederung 1975 ist das Stromnetz im gesamten Stadtgebiet überprüft worden und mit der EAM in Kassel ein Nachtrag zum Stromlieferungsvertrag abgeschlossen worden.
Im Jahr 1998 wurde in der Bundesrepublik Deutschland der Strommarkt liberalisiert. Die zu diesem Zeitpunkt von Fachleuten prophezeite Schrumpfung der Energieversorgungs-unternehmen von 900 auf unter 100 verbleibende Unternehmen ist nicht eingetreten. Die Entscheidung des Rates der Stadt Warburg, die Stadtwerke nicht zu verkaufen und sich dem liberalisierten Markt zu stellen, erwies sich als der richtige Schritt in die Zukunft.

Um die Stadtwerke in die Lage zu versetzen, sich neu zu positionieren und flexibel auf die Marktanforderungen eingehen zu können, beschloss der Rat, den Eigenbetrieb Stadtwerke zum 01.01.2004 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) umzustrukturieren. Die bestehende Bad-Betriebs GmbH Germete wurde in Stadtwerke Warburg GmbH umbenannt. Neben den bereits bestehenden Versorgungssparten Strom, Wasser und Wärme sowie den Betrieb des Hallenbades am Stiepenweg wurden folgende zusätzliche Aufgaben auf die Stadtwerke übertragen: Betrieb der Kurmitteleinrichtung Germete und des Freibades (Waldbad), Übernahme der Straßenbeleuchtung im gesamten Stadtgebiet, Durchführung der jährlich stattfindenden Oktoberwoche und die Aufgaben des Fremdenverkehrs.

Der Text wurde in Anlehnung und auszugsweise den Büchern von Walter Strümper „Von der Wasserkunst zum Wasserwerk“ und „Einhundert Jahre Elektrizität Warburg“ entnommen.